Montag, 12. Dezember 2022

 Die Kronzeugenregelung in Österreich 

Wenige Länder haben sich so schwer mit der Einführung der Kronzeugenregelung getan wie Österreich. Der oberste Gerichtshof hat jahrzehntelang das Primat der Wahrheitserforschung im Strafverfahren immer und immer wieder hervorgehoben.

Von vielen Seiten der strafrechtlichen Wissenschaft wird die Kronzeugenregelung aufgrund ihrer Auswirkung auf die Erforschung der objektiven Wahrheit als kritisch angesehen.

Die Kronzeugenregelung weist eine ähnliche Struktur auf wie es Abkommen oder plea bargain Deals haben. Auch diese werden vom Obersten Gerichtshof und somit vom österreichischen Strafrecht insgesamt in der Praxis abgelehnt.

Hat es damit seine Berechtigung? Natürlich ist ein Kronzeuge bestrebt die Staatsanwaltschaft von der Einzigartigkeit seiner neuen belastenden Informationen zu überzeugen. Er wird ja nur dann strafrechtlich privilegiert, wenn er andere Personen entsprechend belastet.

Der Rücktritt von der Verfolgung wegen Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft nach § 209a StPO( wie der „offizielle Name“ der Kronzeugenregelung lautet) und die verbundenen Voraussetzungen können aber dem Beschuldigten mehrere Risiken aussetzen.

Somit liegt eine Motivlage vor, überschließend und nicht wahrheitsgetreu zu belasten. Andererseits ist der Kronzeuge oft der einzige Belastungszeuge, durch den die Wahrheit in das Verfahren eingeführt werden kann. In diesem Spannungsfeld spielt sich die Diskussion über die Kronzeugenregelung ab. Es stellt sich die Frage, inwieweit gewährleistet werden kann, dass der Kronzeuge wirklich der Wahrheitserforschung dient und diese nicht verhindert oder verzerrt.

Wie wird man Kronzeuge?

Da ist die Kronzeugenregelung so zu gestalten, dass die Ermittlungsbehörde genau überprüfen muss, ob die Aussage des Kronzeugen mit anderen objektiven Beweisergebnissen übereinstimmt. Viele Länder haben jahrelange Erfahrungen mit den durchaus sinnvollen aber auch zerstörerischen Wirkungen der Kronzeugenregelung. Auf die Spitze treiben es manche Staaten in den USA, in denen unmittelbare Täter unter Androhung der Todesstrafe als Kronzeugen auftreten um Anstifter zu belasten. Im Ergebnis führt dies dazu dass der unmittelbare Täter eine lebenslange Freiheitsstrafe unter Anstifter die Todesstrafe erhält. Unter Androhung der Todesstrafe ist es offensichtlich, dass Ermittlungsbehörde das erzählt wird was diese hören will. Diese Verfahren die mit Sicherheit nicht mehr der Erforschung der Wahrheit sondern ausschließlich einem willkürlichen Strafinteresse.

Andererseits ist es in Ländern wie Österreich möglich, dass umfassend geständige und Mittäter belastende Beschuldigte in der Strafhöhe nicht wesentlich von ihren Mitangeklagten eingestuft werden. Das Geständnis bewirkt zwar eine gewisse Strafmilderung aber diese fällt bei weitem nicht so gewichtig aus wie in Rechtsordnungen die Kronzeugenregelungen oder Abkommen zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung als angemessen ansehen

Verbesserungsbedarf und Ansätze dazu

Die österreichische Regelung, nach der Kronzeuge vollkommen belastende Informationen und Beweise in Form seiner Zeugenaussage erbringen muss um in den Genuss der Kronzeugenregelung zu kommen ist insgesamt als verfehlt anzusehen.

Ein Kriterium um in den Genuss einer Kronzeugenregelung zu kommen kann nur die Wichtigkeit  der Aussage des Kronzeugen für die Erforschung der Wahrheit sein. Ein 2. Kriterium um den Status als Kronzeuge zu erhalten ist darin zu sehen, dass der Kronzeuge sollte er von anderen objektiven Beweisergebnissen in seiner Aussage abweichen, nicht in den Genuss der Kronzeugenregelung kommen kann oder diese später verliert. Als 3. und nicht unterschätzendes Kriterium ist die Verhältnismäßigkeit seines Tatbeitrags zu der Aufklärung durch seinen der Aussage als Kronzeuge anzusehen.

Es kann nicht sein, dass ein Haupttäter mit einem wesentlichen Tatbeitrag durch Belastung untergeordneter Mittäter straffrei ausgeht. An diesem Punkt ist das österreichische Einheittstäterprinzip zu hinterfragen, nachdem die Tatbeiträge nicht stark unterschiedlich gewichtet werden.

Im Rahmen der Ermittlungen wird durch die Staatsanwaltschaft eine Vorprüfung durchgeführt. Daher muss der Täter freiwillig unmittelbar an die Staatsanwaltschaft und nicht an die Polizei herantreten (OGH 14 Os 108/20y). Der bzw. die Beschuldigte muss in dieser Phase schon mehrere -wenn auch immer selbstbelastende- Informationen offenlegen, um die Überprüfung der Erfüllung der Voraussetzungen nach den oben genannten Kriterien zu ermöglichen.

Es wird darauf aufmerksam gemacht, dass der Beschuldigte einen sehr schwachen und nicht garantierten Rechtsanspruch auf den Kronzeugenstatus hat. Alles was er bzw. sie offenlegt, kann sehr wohl und unabhängig von der Krozeugenregelung gegen ihn/sie verwendet werden, falls die Staatsanwaltschaft ihm bzw ihr den Kronzeugenstatus nicht gewährt.

Unsere modernen und dem Prinzip der Wahrheitserforschung zu genügenden Kronzeugenregelung zu kommen, kann rechtsvergleichend auf zahlreiche Staaten Bezug genommen werden, in den Kronzeugenregelung schon jahrzehntelangen Kraft sind.

Die derzeitige Kronzeugenregelung genügt diesen Anforderungen nicht. Aufgrund politischer Gründe ist eine Modernisierung des Strafrechts in diesem Punkt auch nicht absehbar.

Es wird interessant sein zu beobachten, in weitere oberste Gerichtshof die neueren Entwicklungen der Wirtschaft und Korruption Staatsanwaltschaft auf diesem Gebiet in seiner Rechtsprechung beurteilen wird. 

Ungeachtet dessen übernimmt unsere Kanzlei gerne Mandate für potentielle Kronzeugen und weist dabei stets auf die Chancen und Risiken eines Angebots an die Staatsanwaltschaft hin. 

Freitag, 11. September 2015

Beweisverfahren in Zukunft überflüssig ?

Im Fall des Unternehmers Gerhard B. übernahm der Oberste Gerichtshof die Rechtsauffassung des Erstgerichts, wonach die in der Hauptverhandlung aufgenommenen Beweise für die Urteilsfällung unerheblich waren.

In einem von mir für die Zeitschrift Ecolex verfassten Aufsatz habe ich mich mit der Tragweite dieser Entscheidung auseinandergesetzt.


Mittwoch, 9. September 2015

9. September, 2015, der Geburtstag meines Blogs. Die hier veröffentlichten Artikel zu den Themen Justiz und Rechtsprechung werden teils auch auf meiner Homepage und Facebook Seite eingestellt.